Die einen nennen solche Bücher Trivialliteratur und lassen ihre Finger davon, für andere sind es Spannung und Unterhaltung und für die dritten Geschichtsunterricht.
«Der Teepalast» von Elisabeth Herrmann würde ich in diese Kategorie Bücher einordnen. Sorgfältig recherchiert erzählt Herrmann die Geschichte von Lene Vosskamp aus dem kleinen Dorf Hogsterwaard in Ostfriesland. Durch einen Schicksalschlag verliert Lene ihre Eltern und kommt wegen einer Intrige ins Gefängnis. In der Schicksalsnacht rettet sie aber einem chinesischen Handelsreisenden das Leben und dieser bedankt sich dafür mit einem besonderen Geschenk. Er übergibt Lene eine Münze, die ihr die Tür zum chinesischen Teehandel und damit zu grossem Reichtum öffnet und holt sie gleichzeitig durch seinen politischen Einfluss aus dem Gefängnis heraus.
Damit beginnt für Lene eine aufregende und abenteuerliche Zeit. Sie verfolgt ihre Vision, in den bis anhin für Frauen verschlossenen Teehandel mit China einzusteigen und reist dazu mit dem Schiff über die Weltmeere nach China und wieder zurück. Dass sie dabei von einer aus einer Weissagung prophezeiten Liebesgeschichte begleitet wird, die sie zu vier Männern führt, macht den Roman farbig und spannend zugleich.
Elisabeth Herrmann gelingt es, die geschichtlichen Fakten aus dem früheren 19. Jahrhundert in einen lebendigen und unterhaltsamen Roman zu verpacken. Sie beschreibt die Situation der verarmten Fischersfamilien in Friesland und die sozialen Zustände in London zwischen Hafen, Bordell und Adel. Sie schildert die Schifffahrt auf den Weltmeeren, die Hierarchien auf diesen Schiffen, den englischen Kolonialismus in China und die Macht der herrschenden Händler im weltweiten Teehandel.
«Der Teepalast» sind 600 Seiten beste Unterhaltung und der Folgeroman «Der Teegarten» liegt mit seinen 700 Seiten lesebereit auf meinem Nachttisch.
(In der ARD-Mediathek findet sich eine 7-teilige Hörspielfassung des Teepalastes.)
Christoph Rüegg-Gulde