Mai 2024 „Wenn du erzählst, erblüht die Wüste“

Rafik Schami, der syrische Schriftsteller, trägt auch nach Jahren im Exil in Deutschland die tiefe Liebe zu seinem Heimatland und der Stadt Damaskus in seinem Herzen. Ein Besuch in Syrien bleibt ihm aus politischen Gründen verwehrt, eine gedankliche Reise zurück in seine Kindheit kann ihm aber niemand verbieten. So macht er das, was er meisterlich kann: Geschichten erzählen.

Eingepackt in eine Rahmenhandlung fluten kurze und längere Geschichten durch dieses Buch. Karam, der Kaffeehauserzähler, (mündliche Geschichtenerzähler werden in Syrien Hakawati genannt und erfreuen sich eines grossen Ansehens), versammelt an zehn Abenden die Menschen seiner Stadt im Palast des grossherzigen Königs Salih. Die Königstochter, Prinzessin Jasmin, leidet nach dem Tod ihrer Mutter an Depressionen. An den Abenden sollen Geschichten die schwermütige Prinzessin erheitern und heilen.

Jedem Abend gibt Karam ein Thema und bittet die Menschen aus der Stadt, auf der Bühne Geschichten zu diesem Thema vorzutragen.

«Von Mut und Feigheit», «Von Geiz, Neid, Gier und deren Erzfeinden», «Vom Aberglauben und seinem Todfeind, der Vernunft» oder «Liebe oder die Weisheit des Herzens» sind rote Fäden durch diese Geschichtenabende.

Wie es der Prinzessin nach den zehn Abenden ergeht, sei hier nicht verraten.

Rafik Schamis Buch ist ein Appell an unsere überhitzte Gesellschaft. Widmen wir uns wieder einmal vertieft den urmenschlichen Fragen des Zusammenlebens. Treffen wir uns in Gruppen, hören einander zu, ertragen die stilleren Zwischentöne und ziehen daraus Schlüsse für uns persönlich und auch für unser Wirken in unserem Umfeld.

Das Buch, das ganz gemütlich auf das Nachttischli passt, kann aber durchaus auch sehr politisch und sozialkritisch aufrütteln.

«Frei wie die Schwalbe und frech wie ein Spatz», welche Geschichte fällt euch dazu ein?

Christoph Rüegg-Gulde