TODESFALL
Ein Agnes Tveit-Krimi im Fallschirmmilieu
Randi Fuglehaug
Während der Lektüre von Todesfall kommt mir in den Sinn, dass ein Krimi wie ein Fallschirmsprung ist – die Landung muss passen.
Über der wunderschönen Natur des norwegischen Westlandes stürzen sich vier Frauen für einen Formationssprung in der norwegischen Nationaltracht aus einem Flugzeug. Diese Eröffnung von Randi Fuglehaugs Debutroman um die Journalistin Agnes Tveit ist spektakulär und inspiriert von der tatsächlich jährlich stattfindenden Extremsportwoche in Voss. Um es vorsichtig auszudrücken: Ganz so reibungslos klappt es mit der obengenannten Choreographie nicht. Eine der vier Frauen, Veslemøy Liland, die Mutter von kleinen Zwillingen, bricht aus der Formation aus und stürzt ungebremst auf die Erde. Die Ursache dafür ist ein sabotierter Fallschirm.
Unter den schockierten Zuschauerinnen und Zuschauern ist auch Agnes Tveit, neuangestellte Reporterin bei der Lokalzeitung Hordaland. Sie wittert einen Fall, in dem nachzuforschen und darüber zu berichten ihr lohnenswert scheint, zumal sie ihren einstmals guten Ruf als Journalistin wiederherstellen möchte.
Agnes nimmt Kontakt auf zu den drei Frauen, die den Fallschirmsprung überlebt haben, um einen Blick hinter die Tragödie zu bekommen. Gro, Joni und Kathrine sind Jugendfreundinnen der verstorbenen Veslemøy. Agnes erkennt, dass die Freundschaft wohl nicht ganz ohne Dornen war, und alte Geheimnisse, welche auch das weitere Umfeld und Voss betreffen, kommen zum Vorschein.
In ihren Nachforschungen wird Agnes von ihren eigenen Problemen abgelenkt. Sie ist erst neulich aus Oslo zurück in die Heimat gekehrt und tut sich schwer damit, sich im westländischen Erwachsenenleben zurechtzufinden. Mit im Gepäck hat sie ihren Partner, den etwas dominanten und den entgegen dem Anschein nicht ganz so perfekten Fredrik. Der Funke in der Beziehung ist erloschen, und der unerfüllte Kinderwunsch beschäftigt vor allem Fredrik, während Agnes ihre Leidenschaft eher für Fastfood als für ihn übrig hat. Agnes kann gut als weibliche Ausgabe eines Antiheldes angesehen werden, besonders deutlich kommt dies zum Vorschein, als sie mit einer Axt auf einen neuen Kinderwagen losgeht.
Der Originalbuchtitel in Norwegisch ist „fallesjuke“, zu Deutsch Fallkrankheit, ein alter Ausdruck für Epilepsie. Vorerst passt der Titel zum Fallschirm, aber im Verlauf wird klar, dass auch die Epilepsie eine Rolle im sich entfaltenden Kriminalplot innehat.
Randi Fuglehaug ist in Voss aufgewachsen und kennt sich in der Umgebung offensichtlich gut aus, und so gelingt es ihr ausgezeichnet, das Lokalkolorit der Gegend glänzen zu lassen. Als Journalistin spürt man ihre Nähe zur Protagonistin.
Gegen den Schluss häufen sich die immer wieder neuen Handlungsstränge, trotzdem ist die Handlung schlüssig und die Landung gelungen. Die Geschichte nimmt sich Zeit, um sich zu entfalten, umso rasanter findet der Krimi seinen Abschluss.
Der zweite Teil der Serie um Agnes Tveit erscheint auf Deutsch im April 2023 – man darf gespannt sein.
Andrea Zürcher